Meine Rede
Landesparteitag der NRWSPD Frederick Cordes, Generalsekretär
[Es gilt das gesprochene Wort]
Liebe Genossinnen und Genossen,
seit gut 1,5 Jahren bin ich nun Generalsekretär der NRWSPD. Es war eine arbeitsreiche Zeit, eine mit Rückschlägen, aber auch eine sehr schöne Zeit. Und das Gute, das kam vor allem durch: Euch.
Die aktiven Mitglieder der nordrhein-westfälischen SPD. Und nicht zu vergessen: Durch die Kolleginnen und Kollegen des Johannes-Rau-Hauses und in der Fläche, die sich jeden Tag reinhängen. Für uns und für die NRW SPD. Ich sag’s, wie es ist: Natürlich gab es manchmal auch Phasen, in denen ich gedacht habe: Wenn ich mich zwischen dem Amt des Generalsekretärs und ner Weltreise entscheiden müsste… ich hätte Euch auf jeden Fall ne Postkarte geschickt.
Aber, im Ernst: Ich möchte mich bei euch bedanken. Danke für eure Unterstützung, aber auch für eure konstruktive Kritik. Meine damalige Parteitagsrede hatte ein Leitmotiv.
Die Älteren werden sich vielleicht erinnern:
Es ging ums Brückenbauen. Und es ging darum, dass nur die SPD in der Lage ist, die verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft wieder zu verbinden. Trotz allem, was seitdem passiert ist, bin ich überzeugt: Das stimmt immer noch!
Und deshalb haben wir im Führungs-Team daran gearbeitet, neue Brücken zu bauen. Unsere Strategie war es, im ersten Schritt bei uns selbst anzusetzen. Sarah, Achim und ich, wir wollten Geschlossenheit herstellen.
Damit die vielen guten Köpfe der NRWSPD mit einer Stimme sprechen: in Berlin, in Düsseldorf und in den Kommunen. Wir wollten die „Kraftzentren“ vernetzen. Und das hat auch geklappt.
Entscheidender war aber, diesen Gedanken zu übertragen. Denn „Kraftzentren“, die gibt’s auch außerhalb der SPD.
Für uns sind das zuallererst die Gewerkschaften und Sozialverbände. Das, wozu man früher mal Vorfeld gesagt hat.
Ich würde es eher als sozialdemokratisches Netzwerk bezeichnen. Dieses Netzwerk haben wir wieder deutlich enger geknüpft. Nicht nur in Konferenzräumen, sondern auch auf der Straße. Wenn in Duisburg oder im Siegerland gerufen wurde: „Stahl ist Zukunft“, dann waren wir dabei!
Und letztes Jahr, als Schwarz-Grün mit dem sozialen Kahlschlag in NRW gedroht hat. Und 30.000 Menschen auf den Rheinwiesen demonstriert haben. Wer war mit ihnen da? Das waren wir! Das war die SPD!
Die Erzieher*innen, die Sozialarbeiter*innen und all die vielen weiteren Menschen, die NRW sozial machen, die werden nicht vergessen, wer den Rotstift geschwungen hat. Und auch nicht, wer an ihrer Seite war. Auf uns ist nämlich Verlass. Denn wir sind die soziale Kraft in NRW!
Liebe Genossinnen und Genossen,
die Großdemo auf den Rheinwiesen. Der Protest für das Gute. Das Zusammenstehen. Bestimmt geht’s euch auch so: Da weiß ich, warum ich das alles mache. Zum Beispiel: Wahlkampf bei Wind und Wetter.
Wahlkampf ist ein gutes Stichwort. Wir haben im Europa- und Bundestagswahlkampf einiges ausprobiert. Wir haben unsere Onlinewahlkampf neu und modern aufgestellt. Wir haben in der Außenwerbung nachgelegt. Wir standen mit unserer „Mehr für Dich-Tour“ vor den Werkstoren, überall in Nordrhein-Westfalen- um 5 Uhr morgens, egal bei welchem Wetter. Und das war ein Zeichen an die Beschäftigten: Wir sind uns für nix zu fein. Wir packen an!
Bei allem Ausprobieren lernen wir auch immer dazu. Zum Beispiel, dass es nicht reicht, wenn wir als Landesspitze vor einem Werkstor stehen, wo man die SPD schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat.
Es braucht daher auch zwischen Landespartei und den Gliederungen vor Ort: ein neues Vertrauen, eine neue Bindung. Wenn wir gemeinsam wieder erfolgreich sein wollen, dann müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen und uns wechselseitig motivieren.
Was meine ich damit konkret?
Erfolgreiche Kampagnen müssen vom Ende her gedacht werden – mit messbaren Zielen und klar definierten Meilensteinen auf dem Weg dahin. Und mein Anspruch ist: Ich will euch zur Landtagswahl keine Kampagne vor die Tür legen, die überall nur Schema F ist. Das passt nämlich nicht zu uns. In Siegen-Wittgenstein funktioniert Wahlkampf eben anders als im OV Buer Mitte 3 in Gelsenkirchen.
Ich möchte daher mit euch eine Rahmenkampagne erarbeiten, die Orientierung gibt, aber auch Baukasten ist.
Sprich: Baukasten statt Blaupause.
Erste Schritte dahin haben wir schon mit Blick auf die Kommunalwahl gemacht. Und wenn ich „wir“ sage, dann meine ich vor allem die SGK. Lieber Frank Meyer und lieber Maik Luhmann, herzlichen Dank für die tolle Zusammenarbeit!
Bereits im September letzten Jahres haben wir nämlich in enger Abstimmung mit unserer SGK die kommunalpolitischen Leitlinien als Grundgerüst für die Programmentwicklung bei Euch vor Ort beschlossen.
Und wir haben im Anschluss daran, einen pickepacke vollen Werkzeugkasten erstellt, aus dem ihr Euch bedienen könnt. Darin findet ihr unter anderem unser Wahlkampfhandbuch, das KommunaloSkript, das KommunaloFon, KommunaloGram, KommunaloLog, das Angebot einer gemeinsamen Designlinie, und und und.
Aber natürlich brauchen wir auch neue Formate. Infostände sind gut, aber das reicht nicht.
Wir waren da was am Planen dran: Nach den Werkstoren gehen wir jetzt zusammen auf Spielplatztour. Denn da spielen Kinder – und da spielt auch das Leben! Weil wo die Kinder sind, da sind auch die Eltern, Omma und Oppa. Und mit denen wollen wir ins Gespräch kommen. Wir bringen gekochten Kaffee mit und zwei offene Ohren.
Und bei einer Tasse Kaffee sprechen wir dann darüber, wo vor Ort gerade der Schuh drückt. Das ist Politik, ganz nah am Leben! Und da müssen wir sein. Und in den Städten und Gemeinden, da geht das am allerbesten. Deshalb ist die SPD da auch so stark, liebe Genossinnen und Genossen. Und das werden wir auch im Herbst wieder sein.
Wir sind jetzt auf dem Weg zur Kommunalwahl und wir sind bereit. Lasst uns die Rathäuser in NRW wieder rot färben!
Damit das auch 2027 mit dem Landtag und der Staatskanzlei klappt, braucht es aus meiner Sicht aber noch ein bisschen mehr als nur einen guten Werkzeugkasten. Beim Landesparteitag in Münster habe ich deshalb gesagt: Wir brauchen eine gesellschaftliche Erzählung. Eine klare Linie, die unseren Spiegelstrichen einen Kontext gibt. Mit dem man nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz erreicht.
Bei Bildung, Verkehr, Arbeit, Wirtschaft, Sicherheit Soziales. Nur so schafft man es nämlich, dass Menschen instinktiv wissen, woran man bei uns ist. Wir haben mit Jochen und der Landtagsfraktion lange dran gearbeitet, damit wir diese Linie wieder klar benennen können:
Wir machen Politik für berufstätige Familien.
Die NRWSPD ist die Partei für alle, die mitten im Leben stehen und den Laden am Laufen halten – ob auf der Arbeit oder zuhause.
Eines will ich ganz deutlich betonen: Wenn wir von berufstätigen Familien sprechen, dann heißt das nicht, dass wir die Bedürfnisse der Älteren aus den Augen verlieren. Wir bleiben generationengerecht!
Aber es sind die berufstätigen Familien in diesem Land, die den Wohlstand erwirtschaften und sich zugleich noch um ihre Kinder und ihre Angehörigen kümmern.
Unsere Erzählung spielt deshalb im Alltag dieser Menschen. Nicht wolkig. Nicht technokratisch. Nein: Nah am Leben.
Denn wenn wir nah am Leben sind, dann sehen wir doch die Probleme: Ihr merkt es doch auch! Durch all die Krisen in den letzten Jahren gerät das Leben immer mehr aus dem Takt.
Wenn man abends Angst hat, dass die Kita morgens wieder nicht auf macht, oder dass der Pflegedienst ausfällt und man sich spontan einen Tag frei nehmen muss.
Busse und Bahnen fallen jeden Tag reihenweise aus. Und besonders hart trifft es dann die Pendlerinnen und Pendler, die nicht in den Großstädten oder im Speckgürtel wohnen - und für die der Feierabend gelaufen ist, wenn die Bahn abends ausfällt. Die Stau-Show auf 1Live, die dauert mittlerweile länger als die eigentlichen Nachrichten.
Liebe Genossinnen und Genossen,
das alles sind Alltagskatastrophen. Und die müssen wir abstellen. Hunderttausende Menschen fragen sich doch jeden Tag, warum nicht einfach mal etwas funktionieren kann. Wenn das eigene Leben aus dem Takt gerät, gerät auch die Gesellschaft aus dem Takt. Sie haben das Gefühl, dass da etwas aus den Fugen geraten ist.
Und mit dem Gefühl liegen sie richtig. Denn es ist oft extrem schwer, das zu bekommen, was man wirklich braucht. Wir haben ein ausreichendes Angebot an Konsumgütern, aber einen riesigen Mangel an Sozialgütern.
Die meisten berufstätigen Familien können es sich zwar leisten, einen neuen Fernseher zu kaufen, finden aber keine bezahlbare Wohnung. Sie können ihren Kindern zwar die Tonie-Box oder den Tiptoi-Stift kaufen, finden aber einfach keinen Kita-Platz.
Und wenn sie mal krank sind, können sie Medikamente zwar mittlerweile online bestellen, aber auf den nächsten Facharzt-Termin warten sie drei, vier Monate.
Das muss eine sozialdemokratische Partei doch jeden Tag umtreiben, liebe Genossinnen und Genossen. Darauf müssen sich unsere Antworten konzentrieren.
Wir müssen als Politik unseren Job machen, damit die Menschen in NRW ihren Job machen können. Deshalb ist für uns ganz klar: Wir sind die Partei der berufstätigen Familien. Wir sorgen dafür, dass Familien endlich wieder eine Sorge weniger haben. Und das ist ganz dringend notwendig, auch für den Erhalt unserer Demokratie.
Wenn Menschen dauerhaft unter großem persönlichem Druck stehen und merken, dass da was schief läuft im Staat, dann haben die so ein Magengrummeln.
Und dieses Gefühl anzusprechen, das dürfen wir nicht den Trumps und Musks dieser Welt überlassen! Solche Leute wollen den Staat in Wahrheit kaputtschlagen, damit er ihren Interessen dient. Aber ein handlungsfähiger Staat, wie wir ihn schaffen wollen, der stellt die Interessen derjenigen in den Mittelpunkt, die ihn am Laufen halten.
Dass der Alltag funktioniert, das ist eigentlich die absolute Mindestanforderung an gute Politik – und trotzdem: Schwarz-Grün scheitert daran jeden einzelnen Tag!
Liebe Genossinnen und Genossen,
keine Sorge: Wir wollen noch ein bisschen mehr, als dass der Bus pünktlich kommt. Wir wollen vom Alltag in die Zukunft. Beides gehört zusammen!
Wir müssen dafür sorgen, dass der Alltag der Menschen wieder funktioniert, aber wir brauchen auch ein Update für unser Aufstiegs- und Freiheitsversprechen. Hierfür müssen wir es schaffen, soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stärke und eine moderne öffentliche Infrastruktur wieder klarer miteinander zu verbinden.
Kurz gesagt: Unser Anspruch ist Alltag und Aufbruch.
Das ist eine Mammutaufgabe. NRW und Deutschland stehen vor einem gewaltigen Modernisierungsbedarf. Es war deshalb schon lange überfällig, dass Deutschland den Igel aus der Tasche nimmt und endlich investiert.
Klotzen statt Kleckern: Das hätte alles schon vor mindestens zehn oder fünfzehn Jahren passieren müssen. Jetzt hingegen rollen die Bundesgelder und NRW wird viel davon abkriegen. Aber das Geld darf nicht im Landeshaushalt verbaut werden. Die größten Modernisierungstreiber, das sind unsere Kommunen.
Wir werden deshalb aufpassen wie ein Luchs, dass Hendrik Wüst jetzt keine klebrigen Finger bekommt.
Das Geld gehört in die Städte und Gemeinden. Dahin, wo das Zusammenleben jeden Tag organisiert wird!
Liebe Genossinnen und Genossen,
mit Merz und Dobrindt am Kabinettstisch zu sitzen, das ist ganz sicher kein Vergnügen. Aber wenn wir die Infrastruktur unseres Landes dadurch in den Griff kriegen, dann ist das ein notwendiges Übel.
Und es ist eben auch notwendig, dass der Staat sich dafür verschuldet, wenn wir keine Mehrheiten für Umverteilung haben. Staatliche Schulden sind nämlich richtig, wenn mit ihnen ein Wert für die Zukunft geschaffen wird. Und genau das muss jetzt unser klarer Anspruch sein. Die vielen Milliarden, die wir jetzt investieren, die müssen vor Ort ankommen. Die müssen für Alle sichtbar und spürbar werden. Und zwar sowohl in Form von technischer als auch in Form von sozialer Infrastruktur.
Wir brauchen beides: Brücken und Bildung, Glasfaser und Gesundheit, Windräder und Wohnraum.
Ich hab’s vor neun Jahren auf nem Landesparteitag gesagt und ich sage es heute noch einmal: Die Zukunft gibt es nicht für lau!
Wir sollten das selbstbewusst vertreten: Wir sind die Partei der berufstätigen Familien. Wir sorgen dafür, dass der Alltag wieder funktioniert. Und wir bauen eine Zukunft, an die man wieder glauben kann. Weil man sie anfassen, spüren und sehen kann. Und mit dieser Botschaft gehen wir auch in die Landtagswahl. Vorhin habe ich ja erwähnt, dass die NRWSPD wieder mit einer Stimme spricht.
Aber ich weiß und ihr wisst es auch:
Die hört man noch nicht laut genug. Natürlich müssen wir Schwarz-Grün kritisieren, aber wir müssen auch deutlich sagen, was wir besser machen werden. Die Menschen in NRW müssen uns als Regierung im Wartestand wahrnehmen. Die müssen es kaum abwarten können, dass bald endlich Landtagswahlen sind, damit ne neue Mannschaft übernimmt. Wir haben da noch Luft nach oben. Wenn die NRWSPD in Umfragen bei unter 20 Prozent liegt, dann ist Selbstzufriedenheit nicht angesagt.
Im Gegenteil:
Wir müssen uns der Kritik und der Unzufriedenheit viel mehr stellen. Raus aus den Parteizentralen und hin zu den Menschen für die wir Politik machen: in die Kneipen, die Stadtteiltreffs und Vereinsheime.
Da, wo es brodelt und anstrengend ist, wie Sigmar Gabriel es mal gesagt hat. Er hatte Recht: Weil da, wo es anstrengend ist, da ist das Leben.
Und als Generalsekretär möchte ich in den kommenden zwei Jahren das Wahlprogramm danach gestalten:
Nah am Leben. Nicht für uns, sondern für die Menschen, für die wir Politik machen. Jede und jeder in NRW soll am Ende wissen, wofür wir stehen und was es nur mit uns gibt. Das muss unser Anspruch sein!
Ihr merkt, ich habe einen Plan und ich hoffe, ihr merkt auch: Ich habe vor allem richtig Bock!
Trotz Bundestagswahl sag ich euch nämlich: Bangemachen gilt nicht! Nicht bei uns, nicht in der SPD.
Wir haben es selbst in der Hand. Unser Ziel ist klar:
Wir wollen 2027 die Staatskanzlei zurückerobern! Ich trete heute nicht an, weil alles leicht wird – sondern weil’s sich lohnt.
Für die, die morgens aufstehen, die Kinder zur Kita bringen, die ihre Eltern pflegen und den Laden am Laufen halten. Für sie will ich kämpfen. Mit euch.
In diesem Sinne: Freundschaft und Glück auf!